La leggenda di Colapesce

Beiträge zur Geschichte der Tauchersage.
Von Dr. H. Ullrich

 

 

Schillers Ballade, der Taucher, die erste Frucht seines Verkehrs mit Goethe, beruht, wie jetzt in allen Erläuterungsschriften zu Schillers Gedichten zu lesen ist, auf einer Begebenheit ob Thatsache oder Sage, ist einstweilen und für die Erklärung des Gedichtes überhaupt von keinem Belang, die am häufigsten in der Fassung, wie sie ihr der gelehrte Jesuit Athanasius Kircher in seinem Buche, Mundus subterraneus gegeben hat, mitgeteilt zu werden pflegt, und zwar letzteres um deswillen, weil jener Bericht in seiner detaillierten Schilderung sich am genauesten der Schillerschen Romanze nähert, sodann aber auch, weil Gründe für die Vermutung vorhanden sind, dass Schiller wenigstens indirekt durch Goethes Vermittelung - den Kircherschen Bericht seinem Gedichte zu Grunde gelegt hat.

Nun hat sich aber, zuerst durch Val. Schmidts, später durch M. W. Goetzingers Bemühungen, dann besonders durch Felix Liebrechts und K. Goedekes Nachforschungen herausgestellt, dass beträchtlich ältere Schriftsteller in mehr oder minder abweichender Fassung von einem Taucher erzählen und aus sonstigen Anspielungen, sowie einer grossen Anzahl von Volksliedern lässt sich erkennen, dass jene Begebenheit frühzeitig in den Volksmund übergegangen und, wenigstens in den südlichen Ländern zur weitverbreiteten Sage geworden ist.
Alles dies ist Grund genug, alle jene Zeugnisse über den Fischmenschen Nikolaus einmal vergleichend zusammenzustellen, auf ihre Abhängigkeit von einander zu prüfen und für eine künftige umfassendere Untersuchung, als sie mir hier wegen des beschränkt zugemessenen Raumes möglich ist, durch Wiederabdruck der schwer zugänglichen Texte eine Art Unterlage zu geben. Ich unterscheide eine schriftliche und eine mündliche Überlieferung.
Die älteste Aufzeichnung über den Taucher scheint die zu sein, die sich bei Gualterus Mapes und zwar in den Nugae curialium (Distinctio IV. caput 13) findet.

Aus diesem von Thomas Wright im Jahre 1850 neu herausgegebenen Buche hat F. Liebrecht das auf Sagengeschichte bezügliche ausgehoben und besprochen. Gualterus Mapes lebte am Ausgange des 12. Jahrhunderts; das in Rede stehende Buch ist (nach Liebrecht S. 26) zwischen 1188 und 1193 entstanden.
Da Mapes (nebenbei bemerkt, Verfasser des lateinischen Trinkliedes: Mihi est propositum In taberna mori, bevor er die Stellung eines Kanonikus zu Salisbury, später die eines Archidiakonus von Oxford bekleidete, sich in Italien aufgehalten hatte, so konnte er die Sage oder Begebenheit wohl selbst von da mitgebracht haben.

Der Bericht ist übrigens dürftig genug: Nikolaus, der Taucher, der in Folge eines Druckfehlers bei Mapes hier den Beinamen Pipe hat, leistet, durch seinen fast fortwährenden Aufenthalt im Meere mit diesem vertraut, den Schiffern nützliche Dienste, indem er ihnen drohende Stürme voraussagt. Er kommt um, als er auf Geheiss König Wilhelms von Sicilien (nach Wright ist Wilhelm IV. gemeint), der den merkwürdigen Menschen zu sehen wünscht, vor diesen gebracht wird, da er die Abwesenheit von dem gewohnten Elemente nicht ertragen kann.

Der nächste, der der Sache Erwähnung thut, ist Gervasius v. Tilbury in seinem gegen das Jahr 1210 für den deutschen Kaiser Otto IV. verfassten Buche: "Otia imperialia". Gervasius, ein Enkel König Heinrichs II von England, war erst Lehrer des kanonischen Rechtes, dann in Sicilien und Neapel längere Zeit in königlichen Diensten, kam unter Otto IV. nach Deutschland und wurde gegen 1240 dessen Kanzler und Reichsmarschall. Er nennt den Nikolaus aus Apulien gebürtig und erzählt, dass derselbe auf Befehl König Regers (nach Liebrecht: Roger II. 1127-1154) in den Strudel der Scylla und Charybdis getaucht sei und bei seinem Wiedererscheinen eine Beschreibung des Meeresbodens gegeben habe.

Von dem Tode des Tauchers weiss er noch nichts, dagegen erzählt er den in mehreren späteren Versionen wiederholten Umstand, dass Nikolaus sich von den begegnenden Schiffern gewöhnlich Öl ausgebeten habe, um mit Hülfe desselben das Tauchen zu erleichtern. Die drittälteste Fassung der Sage scheint die zu sein, die sich in des Johannes Junior Scala celi (Ulm 1480, fol. de missa, quinto fol. 131 b) findet.

Hier ist die Geschichte bereits geistlichen oder moralischen Zwecken dienstbar gemacht und in die bekannte Parabel von den drei Lehren eines Vaters an seinen Sohn, sowie in die vom Gang nach dem Kalkofen (auf welcher Schillers Gang nach dem Eisenhammer basirt) verflochten. Bei Johannes Junior lesen wir auch zum erstenmal von einem Sacke Goldes, den der Tauchende heraufholen soll. Johannes Junior lebte in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts und schöpfte, wie Goedeke sagt, aus Quellen, die selten jünger sind, als aus der Mitte des 13. Jahrhunderts.

Einer weiteren noch sehr epitomarischen Form der Aufzeichnung der Geschichte, die auch noch nichts von einer dem Taucher verheissenen Belohnung und ebensowenig etwas von seinem Tode weiss, begegnen wir bei Raphael von Volterrae (Raphael Volaterranus) in den Commentarii urbani (Parrhisiis. 1511. fol.)
Die Stelle ist die folgende:

Non praeteribo rem miram quae hoc tempore³) contigit. Nicolaus quidem Calapiscis cognominatus , ex Apulia oriundus , a puero in mari assuetus agebat interque marinas beluas illaesus plures dies continuos versabatur profunda maris penetrando. Nautis saepe visus tamquam marinum monstrum apparebat futuras quoque tempestates praedicebat.
 

Der nächste Gelehrte, der unseren Taucher erwähnt und für eine Reihe von andern. Berichten die Quelle wurde, ist der Philosoph, Dichter, Redner und Geschichtschreiber Jovianus Pontanus (1426-1503), der verschiedene politische Stellungen, zuletzt die eines Hofmeisters und Sekretärs von Alfonso II von Neapel bekleidete. Für ihn scheint die Persönlichkeit des Tauchers von besonderer Anziehungskraft gewesen zu sein, denn er erwähnter Stelle:

Quod (das heisst in ein Thier verwandelt) factitatum videtur ab Cola Pisce, homine Siculo, qui relicta humana societate omnemfere vitam ab ipsa pueritia in mari egit atque inter pisces. Qua ex re factum est illi piscis agnomentum, ut non hominis mores tantum exuerit, verumetiam ipsam paene effigium, lividus, squamosus, horridus,

sondern hat auch die Begebenheit dichterisch verwertet in seiner Urania, sive de stellis, wo er von dem Einfluss der Gestirne auf menschliche Schicksale ausgehend, den Taucher in 114 Hexametern in elegantem Latein besungen hat. Wegen beschränkten Raumes kann ich von diesem bisher noch nicht gedruckten Texte nur den kleinsten Teil, nur besonders charakteristische Stellen wiedergeben:

Quo coeli sub sydere natum
Quave poli sub parte Colan rear? alta Pelori

Saxa virum genuere,

aluit quoque Sicilis Aetna,

Et puer humanos hausis de matre liquores,

Instructusque hominum curis et ab arte magistra.

Sed tamen ut paulatim aetas tulit , avia montis

Nulla petit, nulla ipse feris venabula torquet.

Littoribus tantum assistit, neptuniaque antra.

Sola placent, solis gaudet piscator arenis.

--

Forte diem solennem urbi Federicus agebat,

Et promissa aderant celeris spectacula cymbae,

Victori meritum chlamys, ac super aurea torquis.

Hinc certant quibus est et vis et gloria nandi.

Praemia caelatus crater, atque insuper ensis.

Ingentem tum rex pateram capit, atque ita fatur :

Victorem maris ista Colan manet: et jacit illam

In pontum, qua saepe ferox latrare Charybdis

Assuevit, quum caeruleo sese extulit antro.

Cunctatur juvenis fatoque exterritus haeret.

At rex, ni pateram ex imo ferat ille profundo,

Vinciri jubet attutum: expepiuntque catenas.

Vincant fata, inquit, fato et rex durior, haud me

Degenerem aspiciet tellus mea: seque sub undas Demisit.

Der Taucher erreicht auch die goldne Schale, hat aber dann, dem mythologisierenden Charakter des ganzen Gedichtes entsprechend, einen Kampf mit dem Meeresungeheuer Charybdis zu bestehen, in welchem er bleibt. Das Gedicht schliesst mit dem Verse:

In ponto degit vitam et fatum aequore clausit.

Hier begegnen wir zum erstenmal einem ausführlichen, wenn auch gemäss dem Charakter der Renaissancedichtung verwerteten Bericht, der, soweit er Thatsachen enthält, Vorläufer und Quelle aller folgenden geworden ist. Aus diesem plötzlichen Auftauchen einer detaillierten Schilderung lässt sich aber der Schluss ziehen, dass Jovianus Pontanus selbst wieder eine schriftliche Quelle vor sich gehabt hat, und letztere dürfte man in einer entweder unter den späteren Hohenstaufen oder unter den Königen von Neapel bewirkten und in den Archiven niedergelegten Aufzeichnung zu suchen haben.
Wenigstens berufen zwei nachher zu nennende Gelehrte, Athanasius Kircher und Domenico Gallo, sich ausdrücklich auf einen solchen Bericht. - Dem mündlichen Berichte (- a Joviano Pontano relatum audivimus -) des Jovianus Pontanus folgt in seinem in den Dies geniales enthaltenen und von Goede ke zum Abdruck gebrachten Bericht der neapolitanische Rechtsgelehrte Alexander ab Alexandro (1461-1523). Bei ihm ist der Taucher gleichfalls aus Catana gebürtig und kommt um, als er eine von einem ungenannt bleibenden König ins Meer geworfene Schale heraufholen will. Auf dem Berichte 'dieses letzteren Gelehrten fussen nun wieder die Aufzeichnungen des Pedro Mexia, des Simon Majolo, des Tommaso Fazello und des Benito Geronimo Feyjoo.

Den ausserordentlich weitschweifigen und nichts Neues bietenden Bericht des Pedro Mexia, enthalten in dem oft aufgelegten und mehrfach, auch in das Deutsche, übersetzten historischen Notizenbuch Sylva de varia leccion (Sevilla 1542) dieses Chronographen Kaiser Karl V abzudrucken habe ich schon früher unterlassen) und thue es auch jetzt; der kurze Bericht des Majolo dagegen möge hier folgen.
Er ist enthalten in dem Buche: Dies caniculares, hoc est: colloquia XXIII physica. Moguntiae 1615. (erste Ausgabe 1600).
Volaterranus autem tradit aute a suo seculo annos plus quam ducentos nempe, sub Gregorio nono, in Apulia vixisse hominem adeo marinis fluctibus ac belluis assuetum, ut qui antea Nicolaus diceretur, postea Colapiscis fuerit nominatus; de quo et Bugatus scribit historiae suae libro tertio. Sed et in Siciliae ora homo erat, cui piscis Colanus nomen fuit, qui a pueritia tanta natandi libidine diu noctuque fluctibus obversaretur gaudens et ad quingenta stadia natando perseverans, benigne comiterqne navigantibus occursans; anxie vivens extra fluctus, sub Rege Alfonso proposito natantibus praemio in mare prosiliens, ulterius non emersit aliquo casu incognito extinctus. Narrat Alexander de Alexandro libro undecimo capite vigesimo primo.


Wie man sieht, sind hier drei Gewährsmänner genannt, und das Vermengen der verschiederen Berichte hat zur Folge gehabt, dass z. B. ein König Alfonso als Herr von Sicilien erscheint. Der Bericht des Thomas Fazellus (1498-1570) in den Res Siculae (Palermo 1558) ist bereits in extenso mitgetheilt worden; den des Benito Geronimo Feyjoo († 1765) in seinem Theatro universal. t. 6. disc. 8 (Madrid 1743) haben Val. Schmidt) und Felix Liebrechts) im Auszug wiedergegeben. Die Erzählung des Fazellus wiederum liegt zu Grunde dem Bericht, den der bekannte Vielschreiber Johannes Praetorius († 1680) in seinem "Anthropodemos plutonicus", das ist eine neue Weltbeschreibung von allerley Wunderbahren Menschen etc."
Magdeburg 1666 (Theil 2. S. 81-83) gegeben hat, in welchem aber einzelne Ausdrücke (z. B. Poisson Cola) beweisen, dass er noch andere Quellen (vermutlich die von Cl. Gruget verfertigte Übersetzung der Sylva de varia leccion von Pedro Mexia, sowie den Jovianus Pontanus) benutzt hat. Ehe ich zu den beiden bereits oben genannten Schriftstellern, die ans archivalischen Quellen geschöpft zu haben vorgaben, fortgehe, bleibt noch der ganz summarische Bericht zu erwähnen, der sich in des Gasparo Bugati Historia universale (Vinetia 1570. S. 286-287 Libro terzo) findet und keinen Gewährsmann nennt.
Am bekanntesten ist der umfängliche Bericht des gelehrten Jesuiten Athanasius Kircher in seiner Schrift: Mundus subterraneus, in XII libros digestus. (Amstelodami 1678 . fol. - Lib. II. cap. XV. ) den Goedeke vollständig mitgeteilt hat und der von den meisten Späteren ausgeschrieben ist.
 
Wie ich einem anonymen lehrreichen Aufsatze der Beilage zur Augsburger Allgemeinen Zeitung entnehme, wird die Geschichte auch in den verschiedenen Geschichten der Stadt Messina erwähnt, so von Sampieri (Messina illustrata) und Domenico Gallo (Annali della Città di Messina. Bd. II. S. 185).
D
er letztere Bericht ist in dem unten erwähnten Aufsatze zum Abdruck gebracht.
Der in seinem liebevollen Eingehen auf alle Einzelheiten sehr anziehende und schon fast poetisch anmutende Aufsatz Athanasius Kirchers ist zunächst von zwei Vielschreibern des 17. Jahrhunderts fast wörtlich benutzt worden. Es sind dies: Erasmus Francisci, der in seinem Buche: Ost- und Westindischer, wie auch Sinesischer Lust- und Statsgarten (Nürnberg 1668. fol.) auf Seite 68-74 die Geschichte vom Taucher erzählt und Eberhard Werner Happel (1648-1690), der dieselbe in seinen Grösten Denkwürdigkeiten der Welt oder Relationes Curiosae (Hamburg 1683-1691 5 Bde.) und zwar Bd. I. S. 91-93 wiedergiebt.
Die Kirchersche Darstellung liegt auch der Schilderung zu Grunde, die F. W. Otto in seinem "Abriss einer Naturgeschichte des Meeres. Ein Beitrag zur physischen Erdbeschreibung." (2 Bde. 8. Berlin 1792) und zwar im ersten Bande, Seite 23-24 vom Taucher giebt, welch letzterer auch in der Schrift des Oronzio de' Bernardi, L'uomo galeggiante (Deutsche Übersetzung. Weimar 1797) und zwar Bd. I. S. 2425) eine Erwähnung gefunden hat. Auch in einem im "Morgenblatt für gebildete Stände." Stuttgart 1823. Nr. 232-242) enthaltenen Aufsatze, betitelt: "Geschichtliche Bemerkungen über das Tauchen und die Taucherglocken" ist der Bericht des Athanasius Kircher, weil der ausführlichste und interessanteste, deutsch wiedergegeben. Interessanter ist, dass schon im Jahre 1792, also vor Schiller, ein deutseher Dichter, allerdings dritten Ranges, unseren Stoff dichterisch behandelt hat.
Von Franz von Kleist nämlich erschien im dritten Bande (1792) der deutschen Monatsschrift (Berlin, bei Fr. Vieweg dem jüngern) ein in Wielandscher Manier abgefasstes Gedicht in Knittelversen, auf welches zuerst Goetzinger ausführlich eingegangen ist und auf welches sodann R. Boxberger, wie es scheint, ohne von Goetzingers Auseinandersetzungen Kenntnis zu haben, noch einmal hingewiesen hat.
Das Gedicht Kleists hält in keiner Weise einen Vergleich mit Schillers Romanze aus.

Über diese letztere sind nun noch einige Notizen zu geben. Von den Schillercommentatoren vertritt besonders Düntzer die Ansicht, dass Schiller den Kircherschen Bericht mündlich von Goethe empfangen und bearbeitet habe. Diese Ansicht stützt sich nur auf den bekannten Brief Schillers an Goethe vom 7 August 1797, worin er bei Goethe anfragt, was es mit der Ausserung Herders, er, Schiller habe in seinem Taucher nur die Geschichte eines Nikolaus Pesce bearbeitet, für eine Bewandtnis habe. Daraus, dass Schiller der Name des Tauchers fremd gewesen sei, folgert Düntzer zu schnell, dass Schiller überhaupt kein gedruckter Bericht vorgelegen habe.

Dem ist, mit Goetzinger, entgegen zu halten, dass Schiller den Stoff aus einer noch unbekannten Bearbeitung geschöpft haben kann, welch letztere jedoch den Athanasius Kircher wörtlich benutzt hat, und in welcher wahrscheinlich der Name des Tauchers überhaupt gefehlt hat, oder diese Quelle hat nur das, noch von Düntzer falsch mit "Fischlein" übersetzte Fremdwort Pescecola (Fisch-Nicolaus) enthalten, welches Schiller entfallen oder überhaupt unverständlich geblieben ist. Über den Namen Pescecola hätten, ausser den verschiedenen Bearbeitungen der Sage, die gewöhnlich den Namen erklären, schon des Julii Caesaris Scaligeri Exotericarum exercitationum libri XV de subtilitate (Hanoviae 1634) Aufschluss geben können, wo sich (Exercitatio 262) die Erklärung jenes Namens findet. Beachtenswert ist endlich Goedekes Vermutung, dass Schiller den Stoff aus Fazellus, den er für die "Malteser" studiert hatte, kennen gelernt, den Namen des Tauchers aber wieder vergessen hatte.

Das Vorhandensein einer mündlichen Überlieferung der Tauchersage wird durch Anspielungen von Schriftstellern in für das grosse Publikum berechneten Werken, also Gedichten oder Romanen, oder aber durch selbständige Weiterbildung des Stoffes in Gestalt von Sagen und Volksliedern bezeugt. Der ältesten Anspielung auf die Persönlichkeit des Tauchers begegnen wir in einer Strophe des provençalischen Troubadours Raimon Jordan, der am Ende des 12. Jahrh. lebte und dichtete.
Das Gedicht des Troubadours ist aus einer vatikanischen Handschrift von Grüzmacher im XVIII. Jahrg. (Bd. 33. S. 466) des Archivs für d. neueren Sprachen abgedruckt, die betreffende Strophe von K. Bartsch in Nr. 15 (Jahrg. 1878) der "Gegenwart" deutsch mitgeteilt worden. Der Wortlaut der Strophe ist :

Tals estarai cum nichola debar

Qesi uisqes lonc temps savis hom fora

Qestet gran temps mest los peisos enmar

E sabia qei morria cal que hora

Eges pertant non uolc ueuir ensai

Esi ofetz tost tornet morir lai

En la gran mar don pois non poc issir

Enaus i pres lamort senes mentir.

Der ersten Zeile zufolge stammte der Taucher aus Bary in Unteritalien. Erwähnenswert ist sodann eine Anspielung in Cervantes, Don Quijote (Theil II, cap. 18), weil sie beweist, dass die Tauchersage in Spanien heimisch gewesen sein muss. An der betreffenden Stelle jenes Romanes, wo Don Quijote alle Wissenschaften, Künste und Fertigkeiten aufzählt, die ein irrender Ritter verstehen müsse, heisst es:
"Digo que ha de saber nadar, como dicen que nadaba el pexe Nicolas o Nicolao" eine Stelle, die in der bekannten Übersetzung von Tieck ganz weggelassen, in der von Soltau durch das andere Bild "er muss schwimmen können, wie ein Kork" ersetzt ist. Das spätere Tauchermotiv, dass ein Jüngling einem ihm begegnenden Mädchen zu Liebe, das einen Ring hat in das Wasser fallen lassen, nach dem Ringe taucht, findet sich auch in den Liedern aus dem Sagenkreise Finn's und zwar in einem Hauptgedichte dieses Kreises: Laoi na Seilge. Siehe: Talvj, die Unächtheit der Lieder Ossians und des Macpherson'schen Ossians insbesondere. (Leipzig. 1840) S. 73.
Ein Zeichen selbständiger Weiterbildung des Tauchermotivs ist eine Sage aus dem Werrathale (enthalten in C. L. Wucke, Sagen der mittleren Werra nebst den angrenzenden Abhängen des Thüringer Waldes. Salzungen 1864. Bd. 2, 37), die ich früher im Auszuge mitgeteilt habe. Die schönsten Erzeugnisse der mündlichen Überlieferung unserer Sage sind indessen die Volkslieder, von denen mir drei französische vorliegen, deren Zahl sich aber gewiss bei eifrigem Suchen durch solche, die auf italienischem, besonders sicilianischem, und auf spanischem Boden erblüht sind, wird vermehren lassen.
In der sehr verdienstvollen Sammlung von Jérome Bujeaud, Chants et chansons populaires des provinces de l'ouest, Poitou, Saintonge, Aunis et Angoumois, avec les airs originaux (2 vols Niort 1866) steht Bd. I. S. 163 ein Volkslied, dessen erste von 15 Strophen lautet :

La fille du roi d'Espagne

Falira la la,

La fille du roi d'Espagne,

Falira la la,

Veut apprendre un métier

Da der Dichter die Habsucht als Motiv des Wagnisses seitens des Tauchers nicht verwerten kann, so tritt an deren Stelle die Gefälligkeit oder Liebe zu einer Jungfrau, die meistens als Königstochter erscheint. Natürlich ist der das Wagestück unternehmende junge Mann auch kein Taucher von Beruf, wie der Nikolaus der Überlieferung. In allen bis jetzt bekannten Liedern wird der Taucher das Opfer seiner Kühnheit. Zu dem oben angeführten Liede und seinem Gegenstand bemerkt der Herausgeber: Le "plongeur" ... est une des légendes qui se retrouvent le plus souvent. Il en existe des variantes de province à province.
Von diesen Varianten giebt der Herausgeber mehrere interessante Proben. Endlich sind zwei Lieder zu erwähnen, die sich finden in: Französische Volkslieder, zusammengestellt von Moriz Haupt. (Leipzig 1877).
Das eine auf S. 29 befindliche, mit der Anfangsstrophe:

C'est sur le pont de Nantes

(Vogue beau marinier, vogue)

 M'y allant promener

(Vogue, beau marinier),

En mon chemin rencontre

une fille éplorée. etc.

ist dem Buche von Eugène de Beaurepaire: Etude sur la poésie populaire en Normandie (Paris 1856, S. 59) , entnommen. Das zweite, auf S. 78 abgedruckte, welches beginnt:

La fill du roi d'Espagne

veut apprendre un métier,

ell' veut apprendre à coudre,

à coudre ou à laver.

ist eine kürzere Fassung des in Bujeaud's Sammlung enthaltenen und hat Ludwig Uhland , den feinen Kenner des Volksliedes, zu einer deutschen Bearbeitung veranlasst, die sich in seinen Gedichten (Abteilung: Altfranzösische Lieder) findet (Gedichte von Ludwig Uhland. Dritte Auflage. Stuttgart u. Tübingen 1826. 8. S. 417-418: Die Königstochter). Das französische Original verdanken wir Chamisso (Sämtliche Werke. Bd. V. S. 279)

     

www.colapisci.it